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Die Mülheimer Brücke

 

 

 

Bericht

Ein erfolgreiches Damenopfer

Ein Spielbericht von Andreas Decker.

Auf die Frage „Was würden Sie tun, wenn Sie die Wahl hätten, mattzusetzen oder die feindliche Dame zu gewinnen“ pflegte seinerzeit Bernhard Kagan, Schachverleger, Mäzen und Original, scherzhaft zu antworten: „Die Dame gewinnen! Mattsetzen kann ich ja immer noch.“.

In diesem Sinne, wie ist es, wenn Ihr die Wahl hättet, zu gewinnen, oder mit einem Damenopfer die Partie zu entscheiden? Klarer Fall, mit einem Damenopfer die Partie zu gewinnen fühlt sich schöner an, es ist einfach spektakulärer.

Im letzten Heimkampf in der ersten Kreiskklasse-Ost gegen den Tabellenersten Porz kam es zu folgender Situation. Beim Stande von 3:3 (Patrick und ich spielten noch) hatte ich noch 15 Minuten Zeit für die letzten 10 Züge vor der ersten Zeitkontrolle. Mein (nominell schwächerer) Gegner hatte bis dahin zäh verteidigt und kein Material eingestellt. Positionell stand ich allerdings schon ziemlich gut, trotzdem – ich fühlte die Zeitnot im Nacken und wollte mir nicht durch ungenaue Züge die Partie noch verderben.

Kurz darauf spielte Patrick Remis und jetzt beim Stande von 3.5:3.5 kam es also darauf an. Nach meinem letzten Zug 34. h5 hatte der Gegner 34. ..Sd7 gespielt und Remis angeboten. Bei mir standen noch 12 Minuten für die letzten 6 Züge an.

Stellung


Auf 35. Df2 käme vielleicht 35. .. De7 und auf 35. Df4 müsste ich gar an der Folge 35…f6 rumrechnen. Und auf 35. Dg5 käme vermutlich 35… Dd8. Ein schneller klarer Gewinn war mich mich in allen 3 Varianten nicht zu sehen. Und die Zeit drängt. Wie wäre es auf g7 die Dame zu opfern? Nach dem die h-Linie aufgeht müsste man doch eigentlich mattsetzen können. Oder wenigstens genug Material zurück bekommen. Eins war allerdings auch klar. Wenn das Damenopfer in die Hose geht, bist du der Depp. Dann ist nicht nur die eigene Partie, sondern auch der Mannschaftskampf verloren.
Ein möglicher Aufstieg der Mannschaft würde dann erstmal in weitere Ferne rücken.

Also, mal sehen. 35. Dg7+ - Kxg7 36. hxg6 ist soweit klar. 36. ..hxg6 hätte jetzt ein Matt in 3 zur Folge, ebenso 36. ..fxg6. Na ja, das wird der Gegner wohl auch sehen. Was ist mit 36. ..Th8? Dann 37. Txh7+ - Txh7 38. Txh7+. Auf 38. ..Kf8 verliert Schwarz Haus und Hof, da er nach 39. Th8+ mit seinem König nicht 39. ..Ke7 ziehen kann, weil mein g Bauer nach Schlagen der schwarzen Dame durchzieht. Ich behielte eine ganze Dame mehr übrig. Nach 39. ..Kg7 bleibt mir ein ganzer Turm mehr. Und wenn er 38. ..Kg8 zieht, dann geht 39. gxf7+ Dxf7 40. Txf7 Kxf7 und ich behalte 2 Mehrbauern (davon ein Freibauer) und den starken Läufer gegen seinen Springer, wobei seine Zentralbauern noch auf der Farbe meines Läufers festgelegt sind. Das muss auch genügen.

Auf dem Plan müsste man aber auch 36. ..Tg8 haben. Nach 37. Txh7+ - Kf8, 38. Txf7+ - Dxf7, 39. gxf7 - Kxf7 habe ich wie in der vorigen Variante wieder 2 Mehrbauern, wobei diesmal noch ein Turm auf beiden Seiten mitspielt. Also ebenfalls eine gute Aussicht.

Bis jetzt verspricht das Damenopfer also Erfolg, aber Tick-Tick-Tick – die Zeit läuft unerbittlich ab. Und es gibt ja noch die Möglichkeit 36. ..f5. Ich sehe dabei die sehr hübsche Variante 37. Th7+ - Kg6 und jetzt 38. Kf4! Und das Matt im nächsten Zug ist nicht zu verhindern. Das sieht wirklich sehr hübsch aus, aber der Gegner kann auch 37. ..Kg8 ziehen. Nach 38. gxf5 – exf5, 39. Lxf5 könnte Schwarz noch mit 39. ..Sxe5 verteidigen, aber auch dann müsste ich Vorteil behalten. Durchrechnen kann ich das nicht mehr denn die letzten 2 Minuten sind angebrochen, ich muss mich jetzt entscheiden. Nicht mehr darüber nachdenken, dass es vielleicht noch schiefgehen könnte (siehe Bericht „Ein Favorit strauchelt, aber fällt nicht“ vom 04.12.2011 – da war der Gegner allerdings erheblich stärker). Wenn es diemal funktioniert, wäre das nach 25 Jahren spielen im Verein das erste Mal, dass ich eine ernsthafte Partie mit einem Damenopfer gewinnen kann.

Also, - Jetzt oder Nie!

35. Dxg7+ – Kxg7, 36. hxg6 – Th8, 37. Txh7+ - Txh7, 38. Txh7+ - Kg8, 39. gxf7 – Dxf7, 40. Txf7. Uff, die Zeitkontrolle ist geschafft. Nach 40. ..Kxf7, 41. Kf4 habe ich ein gewonennes Endspiel erreicht, mein Gegner gibt nach weiteren 10 Zügen auf.

Stellung


Juchu! Mit einem Damenopfer die Partie gewonnen, die Mannschaft schlägt den Tabellenersten und die Option auf den Aufstieg bleibt erhalten. Perfekt!. Dass mein Gegner nominell viel schwächer war als ich und nach dem Damenopfer auch nicht die allerstärksten Züge gemacht hat, tut meiner Freude daran nicht den geringsten Abbruch, ebensowenig wie die Tatsache, dass ich eine Variante (36. ..Kg8) überhaupt gar nicht auf dem Schirm hatte.



22. Februar 2016 / Andreas Decker

 

 


 

 

Stellung

35.Dxg7+!
[35.Df4 f6 36.hxg6 fxe5;
35.Dg5 Dd8 36.Dxd8 Txd8 37.hxg6 fxg6]
35...Kxg7 36.hxg6 Th8
36...hxg6 37.Th7+ Kg8 38.Th8+ Kg7 39.T1h7#;
36...fxg6 37.Txh7+ Kg8 38.Th8+ Kg7 39.T1h7#;
36...f5 37.Txh7+
  Kxg6
  (37...Kg8 38.gxf5 exf5 39.Lxf5 Sxe5 40.g7 Sg6 41.gxf8D+ Sxf8 42.Th8+ Kg7)
   38.Kf4!;
36...Tg8 37.Txh7+ Kf8 38.Txf7+ Dxf7 39.gxf7 Kxf7;
36...Kg8 37.g7 f5 38.Txh7 (38.gxf8D+ Sxf8 39.gxf5 exf5 40.Lxf5) ;
37.Txh7+ Txh7 38.Txh7+ Kg8
[38...Kf8 39.Th8+ Ke7 (39...Kg7 40.Txe8) 40.Txe8+ Kxe8 41.g7]
39.gxf7+ Dxf7 40.Txf7 Kxf7 41.Kf4

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